Montag, 24. August 2009

.der autist

komm endlich zum essen, du autist“, reds schwester war jetzt endlich böse, sie war nun schon zum vierten male hinaufgeschickt worden, um den kleinen scheisser an den gedeckten tisch zu holen. doch der war so sehr in sein spiel vertieft, dass er von alldem nichts mitbekam. nichts mitbekommen wollte. seine um jahre ältere schwester, nennen wir sie ruhig ina, ina also kannte immerdiese neuen begriffe, die ihn faszinierten. und er beneidete sie um diese gabe, auch wenn er sie sonst um nichts beneidete. red konnte mit dem wort „autist“ nichts anfangen, es stellte aber offensichtlich eine neue beleidigung dar, die es zu ergründen galt. noch bevor er sein zimmer verliess, um das abendessen zu sich zu nehmen, schlug er in seinem lexikon nach. was er dort las, gefiel ihm, und red nahm sich fortan vor, ein autist zu sein.
schliesslich bedeutete dies, sich immer in alles was ihn interessierte oder auch nicht vertiefen zu müssen und für die aussenwelt unansprechbar zu sein. er könnte sich verschliessen, abkapseln, die umwelt vergessen. hatten autisten nicht auch immer eine besondere begabung? bitte, red hatte sogar viele solcher begabungen, sehr besondere begabungen sogar, und galt er nicht schon seit längerer zeit als unterfordert in der schule, da er sich seinen begabungen lieber widmete als dem unterricht? die lehrer verziehen ihm gern, red besass ein äusserst friedvolles und noch hübscheres äusseres. sie waren geradezu vernarrt in den jungen und attestierten ihm gerne eine überdurchschnittliche intelligenz. war selbst einstein nicht auch irgendwie ein autist?
red beobachtete das leben mehr als dass er daran teilnahm. er analysierte begegnungen und versuchte später sogar, das subjekt der liebe zu erklären. auch erforschte er probate mittel, diese herbeizuführen oder auch zu vermeiden. es gab da diese einfache formel, man musste sie nur finden. red führte buch über die unzulänglichkeiten oder vorzüge der ihn anschmachtenden mädchen, die ihn natürlich ausserordentlich gutaussehend, wenn auch etwas zurückhaltend fanden. es war diese besondere mischung, mysteriös, geheimnissvoll, unnahbar, und sie verdrehte ihnen die köpfe. er war der geheimnissumwitterte ritter, der hoch auf seinem ross antrabte, eben mal nebenbei das burgfräulein rettete und dennoch den überblick über das nächste schlachtfeld behielt, sein blick verschmolzen mit den anforderungen der zukunft. so sahen ihn die mädchen also und sie liebten ihn deswegen. sie erblühten und verdorrten in ihrer sehnsucht. denn red erhörte sie nicht, er schien meist an einem anderen ort, gab sich jedoch höflich, aber reserviert. er bemerkte ihr verlangen nicht, ebenso die flüchtigen und wie zufällig stattfindenden berührungen. er nahm sie einfach nicht wahr.
in den biologiebüchern konnte er über den zweck der paarung lesen, mit beginn seiner pubertät erkannte er aber erst deren notwendigkeit. er folgerte, er müsse sich nun auf mädchen einlassen und es überraschte ihn, wie bereitwillig diese mit ihm gingen, hätte aber mehr freude daran gehabt, wenn es sich nicht nur auf dieses gehen im sinne einer fortbewegung beschränkt hätte. die unbequeme nähe, die dabei im geiste entstehen sollte, machte ihm angst und die mädchen fürchteten seine sexualisierten handlungsweisen. seine zudringlichkeit verwirrte sie und machte sie unglücklich, sie blieben ihm stets verschlossen. red sah keine besondere notwendigkeit, diese unbefriedigenden verbindungen zu pflegen, und sein ritterlicher blick verirrte sich in die weite.
red war gründlich frustriert, bis er auf agnes stiess. sie war ein jahr jünger als er, 14 erst, doch frühreif und längst keine jungfrau mehr. agnes hatte in ihrem jungen leben einen mehr als zweifelhaften ruf erreicht, doch sie wurde gerne konsultiert und noch lieber weitergereicht. ein heisser tipp also für geschlechtsreife jungens, die endlich geschlechtlich werden wollten. agnes indes sehnte sich heimlich nach geborgenheit und zuneigung, und red konnte ihr dies suggerieren, und zwar jeweils vor und kurz nach dem beischlaf. er rechnete sich nämlich aus, dass ein wohldosiertes mindestmaß an zuwendung die häufigkeit des geschlechtsverkehrs erhöht und zugleich ein höchstmaß an erwartungen an ihn verhinderten. kurz: er hatte sex und musste dafür nur ein wenig kitsch ertragen. wenn die mischung nur stimmte. red erforschte agnes’ körper mit akademischer zuneigung und lernte die wichtigen schaltungen und knöpfe zu erkennen und auch zu betätigen. es war zu ihrem, noch viel mehr aber zu seinem nutzen. sie war gefügig und red musste sich eingestehen, dass zu geben nützlich ist: man bekommt so viel dadurch zurück.
seine berechnungen beinhalteten allerdings noch zu viele unbekannte. agnes verdorrte zunehmend unter reds wochenlanger herrschaft. sie starb ihren ersten tod, indem sie in ihrem kummer eine flasche büffelgras im supermarkt stahl, diese ohne abzusetzen austrank und daraufhin einen tag und eine nacht komatös im krankenhaus verbrachte. ihre eltern verbrachten sie zur strafe auf ein internat. dort ergab sie sich vollends dem alkohol und den jungens, und sie war so sehr spielzeug, dass sie sich nicht einmal mehr die mühe gab, sich vor und nach den befleckungen zu säubern. sie starb bis zu ihrem frühen und endgültigen tod noch viele male.
red aber sah sich schnöde verlassen und innerlich verfluchte er agnes, die sich ihm so jäh entzog. es ergab sich nun die frage, wie er seinen trieb nun ausleben solle. er konnte es nicht von der hand weisen: agnes fehlte ihm. aber agnes hätte genausogut diana, karla oder heidrun sein können. der unterschied bestand allein in der beschaffenheit ihrer mösen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen